Manchmal entstehen die schönsten Projekte ganz unverhofft – und genau das durfte
die 10c und ich in den letzten zwei Woche erleben.
Alles begann in einer Mittagspause, irgendwo zwischen Innenstadt und Dönerladen.
Dort trafen Paul, Tom, Piet und Len – vier einfallsreiche Köpfe aus der 10c – auf eine
junge Frau mit Spraydose, Schutzmaske und einem erstaunlichen Talent fürs
Gestalten von Wänden. Neugierig sprachen sie sie an. Und wie der Zufall (oder das
Schicksal?) es wollte, war die Künstlerin keine Unbekannte für mich – im Gegenteil:
Aylin Behringer war einst vor Jahren meine Schülerin im Kunstunterricht.
Die vier Jungs kamen nach der Pause mit leuchtenden Augen in meinen GL-
Unterricht gestürmt – völlig begeistert von ihrer Begegnung mit "einer echten
Streetart-Künstlerin", wie sie nicht müde wurden zu betonen. Ob man da nicht mal
ein gemeinsames Projekt starten könne?
Ich war sofort Feuer und Flamme. Schon während der Stunde griff ich zum Handy
und kontaktierte Aylin. Zwischen Sprühdose und Farbnase meldete sie sich – und
nach wenigen Momenten stand unser Plan: Ein Workshop, so bald wie möglich, denn
unsere 10er stecken bereits tief in der Vorbereitung auf die ZP 10 und sind nicht
mehr lange bei uns.
Heute war es dann soweit: Mit Leinwänden, Spanplatten und viel Vorfreude standen
unsere SchülerInnen bereit, um Aylin zu empfangen. Und sie kam – mit einem
Lächeln, einem großen Korb voller bunter Spraydosen und dieser besonderen
Mischung aus Ruhe und Energie, die sofort ansteckt.
Nach einer kurzen Einführung ging es los: Es wurde geschüttelt, gesprüht,
geschichtet, gestencilt und gestrahlt. Die Bildträger füllten sich schnell mit Farben,
Formen, Statements und Fantasie. Aylin erklärte, demonstrierte Techniken und
ermutigte, eigene Ideen umzusetzen.
"Frau Nyky, das Sprayen jetzt vor der ZP 10 tut echt gut – das hat fast was
Meditatives," sagte Julius irgendwann mit Farbe im Gesicht und einem Strahlen im
Blick.
Und ja – genau das war es: ein kleines Durchatmen, ein kreativer Freiraum mitten im
Prüfungsendspurt.
Was mich persönlich besonders berührt hat:
In diesem Projekt haben zwei Generationen miteinander gearbeitet, die ich beide
unterrichten durfte. Die einen gerade noch mitten in der Schulzeit – die andere schon
mittlerweile jahrelang auf ihrem eigenen, künstlerischen Weg. Und dennoch lernten
sie voneinander, begegneten sich auf Augenhöhe, teilten Farben und Ideen.
Zu sehen, wie Aylin mit Herz und Hingabe meine aktuellen SchülerInnen begleitet
hat, wie sie ihnen Mut gemacht und ihre Kreativität bestärkt hat – das war für mich
als Lehrerin ein sehr emotionaler Moment. Vielleicht kann man es nur verstehen,
wenn man selbst schon etwas länger bei uns an der Schule ist.
Es ist etwas ganz Besonderes, ehemalige SchülerInnen wiederzusehen – und noch
schöner, wenn man gemeinsam gestalten darf. Es erfüllt mich mit Stolz zu sehen, wie
mutig junge Menschen ihren Weg gehen, ihrer Leidenschaft folgen und sich trauen,
etwas Eigenes zu schaffen. Es inspiriert mich erneut als Lehrerin und gibt mir den
Antrieb, mein Bestes als Kunstlehrerin für euch SchülerInnen zu geben.
Deshalb danke ich dir Aylin - für deine Zeit, dein Wissen, deine Offenheit.
Danke an meine wundervollen SchülerInnen, die einmal mehr gezeigt haben, wie viel
Begeisterung, Neugier und Talent in ihnen steckt. Einige konnten es kaum erwarten,
ihre Werke mit nach Hause zu nehmen - und das mit Recht!
Ich freue mich sehr auf weitere gemeinsame Projekte mit Aylin. Und ich weiß, dass
bald wieder eine "alte" und neue Schülergenerationen nebeneinander vor einer
weißen Fläche stehen und sie in etwas ganz Eigenes verwandeln werden.
Was bin ich gesegnet, Lehrerin sein zu dürfen!
Eure Frau Nykyforuk