Digitale Schule nach langer Diskussion handyfrei

Die Gesamtschule Heiligenhaus ist digitaler Vorreiter, verbietet jetzt aber die Nutzung Smartphones

Philipp Nieländer

Ende März erhielten alle Schulen in NRW eine Mail aus dem Schulministerium – mit der Bitte, bis zum Herbst Handyregelungen zu erarbeiten. Zu dem Zeitpunkt hatte die Lehrerkonferenz der Gesamtschule Heiligenhaus gerade beschlossen, dass die Schule ab dem kommenden Schuljahr handyfrei wird.

Vorausgegangen war dazu innerhalb des Kollegiums ein zweijähriger Diskussions- und Beratungsprozess, in den immer wieder auch die Schülerschaft und die Eltern integriert wurden, sowie eine handyfreie Woche, die testweise im letzten Schuljahr durchgeführt wurde.

Der Prozess wurde durch das Erleben des Schulalltags: Einerseits wurde eine zunehmende Stille während der Pausen auf dem Schulhof beobachtet, weil viele Kinder und Jugendliche die Pausen nutzten, um Handyspiele und Videos zu konsumieren. Andererseits erfolgte ein massiver Anstieg von Konflikten, die – zwar überwiegend außerhalb der Schule über soziale Medien und Kommunikationsplattformen entstanden – den Schulalltag aber maßgeblich negativ beeinflussten.

Regelmäßig wurde – gerade von den Eltern der unteren Jahrgänge – in der ersten Schulpflegschaft eines Schuljahres gefordert, dass es doch ein Handyverbot in der Schule geben sollte. Schulleiterin Carmen Tiemann reagierte darauf stets gleich: „Wenn es nach mir ginge, wären wir eine handyfreie Schule, aber wenn eine Regel eingeführt wird, muss sie auch umgesetzt werden und dafür muss das Kollegium mitziehen. Zudem sind gerade die Eltern in der Verantwortung, denn schließlich kaufen sie den Kindern die Smartphones.“

Gesamtschule führt seit 2021 das Siegel „Digitale Schule“

Wenn es nach mir ginge, wären wir eine handyfreie Schule, aber wenn eine Regel eingeführt wird, muss sie auch umgesetzt werden und dafür muss das Kollegium mitziehen.
Zudem sind gerade die Eltern in der Verantwortung, denn schließlich kaufen sie den Kindern
die Smartphones.
Carmen Tiemann, Schulleiterin

Seit 2021 führt die Gesamtschule Heiligenhaus das Siegel „Digitale Schule“ und nutzt für Recherchen und Projekte bisher auch die Smartphones der Schülerinnen und Schüler. Die geltende Handyregelung, dass das Handy in den Unterrichtsräumen nur nach Aufforderung der Lehrkraft zu nutzen sei, reicht aus Sicht der Schulleitung zwar für einen geordneten Unterricht, aber nicht für den Erziehungsauftrag, dem sich die Schulgemeinde verpflichtet fühlt.

Die Arbeitsgruppe „Digitale Tools“, in der sich regelmäßig engagierte Lehrkräfte mit der digitalen Bildung für die Schulgemeinde auseinandersetzen, nahm schließlich im Jahr 2023 das Thema auf und sammelte die Argumente und Positionen die für eine Veränderung bzw. Beibehaltung der Handyreglung sprachen. Mit dieser Sammlung wurde dann eine pädagogische Lehrerkonferenz durchgeführt, die – nach intensiven Diskussionen – zum Ergebnis kam, dass eine handyfreie Woche für alle Jahrgangsstufen durchgeführt werden sollte, die sowohl von Lehrkräften, als auch von der Schülerschaft evaluiert werden sollte.

Große Teile der Schüler- und Lehrerschaft waren mit der handyfreien Woche sehr zufrieden und gerade die Schülerinnen und Schüler genossen es, in den Pausen miteinander zu spielen, zu reden und sich zu bewegen. Eine Schülerin äußerte: „Die handyfreie Woche war eine tolle Idee, denn die Menschen wurden offener.“ Ein anderer Schüler meinte dazu: „Das hat mir zwar nichts geholfen, aber viele Leute haben mehr getobt und sahen glücklicher aus.“

Nachdem die Erfahrungen ausgetauscht und offene Fragen geklärt waren, wurde beschlossen, dass die Schülerinnen und Schüler mit Betreten des Schulgeländes ihr Smartphone ausschalten und in ihre Schultasche stecken müssen. Ein Handy darf nicht sichtbar werden, ansonsten wird es eingesammelt, im Sekretariat verwahrt und täglich um 15.50 Uhr von einem Schulleitungsmitglied wieder ausgehändigt. Selbstverständlich können Lehrkräfte weiterhin für eine Unterrichtsequenz oder ein Unterrichtsprojekt die Nutzung von Handys erlauben. Für die Schüler der Oberstufe wird die
Nutzung des Handys im Selbstlernzentrum gestattet. Tablets und Laptops dürfen nur für unterrichtliche Zwecke genutzt werden, denn ab Jahrgang 8 empfiehlt die Schulkonferenz die Nutzung eines eigenen digitalen Endgerätes.

„Die Gesamtschule Heiligenhaus geht damit nicht einen Schritt zurück in das analoge Zeitalter“, heißt es in einer Mitteilung der Schule, „sondern wird ihrer Verantwortung gerecht, einen bewussten Umgang mit dem Handy im Schulalltag zu verankern“. Die Medienkompetenz und die Aufklärungsarbeit der ausgebildeten Medienscouts würden weiterhin bewusst umgesetzt. „Aber die permanenten Störungen durch die virtuelle Welt und die ständige Erreichbarkeit der Schülerinnen und Schüler werden deutlich reduziert. Auch Konflikte können leichter direkt gelöst werden und müssen nicht auf Kommunikationsplattformen und in den sozialen Medien geklärt werden.“

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